Während die Piratenpartei dieser Tage nach programmatischer Erneuerung sucht, sollte der Post aus dem LiquidFeedback-Blog aus dem September 2012 nicht der Vergessenheit anheimfallen. Aus meiner Sicht eine hübsche Fallstudie dafür, dass der Zusammenhang zwischen einer, in diesem Fall politischen, Intention und angemessener Software-Umsetzung nicht trivial ist und sich in technisch eigensinnige Strukturen konkretisieren, die nicht beliebig anpassbar sind.

Problem ist, dass LiquidFeedback darauf insisitert, dass eine demokratische, d.h. transparente und nachvollziehbare Willensbildung nicht mit dem (ebenso demokratischem) Prinzip der geheimen Wahl vereinbar ist, wenn ihre Plattform genutzt wird. Knackpunkt ist die für den einzelnen Nutzer Nicht-Nachvollziehbarkeit der Vorgänge im Internet:

„Denn das Internet kann durch die Teilnehmer (im Gegensatz zu einer echten Wahlurne) nicht hinreichend auf korrekte Funktionsweise geprüft werden. Für demokratische Prozesse gilt deshalb:

  • Entweder keine geheime, pseudonyme oder anonyme Stimmabgabe
  • oder keine Überprüfbarkeit durch die Teilnehmer
  • oder Verzicht auf das Internet und Verwendung einer herkömmlichen Wahlurne“

Die Praxis verschiedener Gliederungen der Piratenpartei nutzt aber genau die ausgeschlossene Möglichkeit geheim und via Internet Abstimmungen durchzuführen. Daher die Schlussfolgerung

„Wir wollen aber nicht für die gesellschaftliche Etablierung von scheinbar demokratischen Verfahren stehen oder verantwortlich sein, die durch die Teilnehmer selber nicht überprüft werden können.“

Die Schlussfolgerung ist, dass das Internet per se keine demokratische oder demokratisierende Technologie darstellt. Eine Position, die z.B. Evgeny Morozov angesichts der westlichen Lesarten der arabischen und asiatischen Twitter-Revolutionen und Facebook-Bewegungen ausführlich begründet hat. 

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