Mit viel Verspätung möchte ich noch auf einen Beitrag im Seminar-Blog „Web 2.0 und die Gesellschaft“ von Ilona Buchem eingehen, weil hier Ergebnisse der Abschlussreflexion aus einem Nutzungszenario von E-Portfolios in der Hochschullehre (im vergangenen Wintersemester 2011/2012) veröffentlicht sind – und dass findet leider nicht sehr oft statt. Ilona Buchem macht drei Kategorien auf: Die (negative) Soll-, die (positive) Haben-Seite sowie die Ambivalenzen. Die Darstellung ist knapp, daher möchte ich sie nicht weiter zusammenzufassen, würde mir aber erlauben, meine Quintessenzen zu ziehen:

  • Die praktische Arbeit mit dem Portfolio, die Praxisnähe und Multiperspektivität der Inhalte sowie die neuen Möglichkeiten der Leistungsdarstellung wurden von den Studierenden positiv eingeschätzt. Man kann dies interpretieren als die Ausweitung von Spielräumen. Diese müssen freilich auch genutzt werden – dies scheint aber auch der Fall gewesen zu sein, wie sich auch an den sehr individuell gestalteten  Beispielportfolios im Artikel zeigt. Es steckt vermutlich auch ein gutes Stück Lust am Neuen und am Ausprobieren hinter dem offensichtlichen Motivation, die sich in diesen Portfolios äußert. Wichtig scheint aber zu sein, diese Spielräume beim Einsatz von E-Portfolios gezielt aufzusuchen.
  • Nicht so gut angekommen bei den Studierenden sind anscheinend die Vorgaben hinsichtlich der Themen, Umfang und Struktur der Portfolio-Artikel (die übrigens als WordPress-Blogs umgesetzt wurden). Eine ähnliche Erfahrung habe ich gemacht, als wir im letztem Jahr einem Seminar mit einem Wiki arbeiteten und die Studierenden die Aufgabe hatten, zu einem Thema aus einem Themenpool einen Artikel zu verfassen. Die Form eines wohlstukturierten Wiki-Artikels engt den Spielraum der Studierenden einfach stark ein. Die „kleine Form“ der Wiki-Artikel, Blog-Beiträgen und Lerntagebuch ist ebenfalls nicht einfach zu erschließen. Ein zweiter Minus-Punkt in den Augen der Studierenden ist die Register-Mania für die Nutzung der diversen Web 2.0 Tools, die im Seminar genutzt wurden.

Ebenfalls spannend sind die  „Ambivalenzen“, die festgehalten wurden: Die Debatte um Verbindlichkeit (Anwesenheitspflicht) erinnert mich an die Untersuchung von Neus Capdeferro und Margarida Romero, die feststellten, dass die mangelnde Verbindlichkeit ein wichtiger Grund für entstehenden Frust von TeilneherInnen in kooperativen Szenarien ist.
Aus dieser Interpretation würde ich drei tentative Sclussfolgerungen für Portfolioarbeit ziehen:

  • Das neue Medienformat zu erproben und zu gestalten hat einen gewissen Reiz für Studierende.
  • Die Kombination mit multiperspektivischen, praxisnahen Inhalten ist ebenfalls attraktiv (und kann gut mit der damit verbundenen „Medienkultur“ verknüpft werden).
  • Die inhaltiche Anforderung des „kleinen Textformats“ könnte um weitere mögliche Formate erweitert werden.

Die teils negative Bewertung der Arbeit mit den verschiedenen Web 2.0-Tools und Werkzeugen ist ein weiterer spannender Punkt aus der Evaluation. Welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden könnten, ist mir zur Zeit auch nicht klar. Ich vermute aber, dass diese ambivalenten Statements etwas mit der Art und Weise zu tun haben, wie sich die Studierenden insgesamt in der digitalen Welt bewegen und welches Verhältnis sie dazu haben. Stark vereinfacht kann ich mir hier ein entschärfte Form des Digital Divide als Ursache vorstellen und damit verbunden, dass die Beschäftigung mit (bestimmten Arten und Nutzungsweisen von) digitalen Medien entweder als Pflicht oder Erweiterng der eigenen Handlungsmöglichkeiten empfunden wird.

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