Zum Community-Call vom 23.09. des German-Chapter des Europortfolio-Projekts, dass von den KollegInnen aus Österreich gestaltet wurde, möchte ich trotzdem es länger zurückliegt, etwas ausführlicher berichten und damit auch noch einmal die Aufzeichnung und die Themen all denjenigen anempfehlen, die sich mit dem Einsatz von E-Portfolios insbesondere in der Schule befassen.
Zunächst berichteten Andrea Ghoneim und Klaus Himpsl-Gutermann aus den Projekten EUfolio und ATS2020. EUfolio startete 2013 und hatte zum Ziel die Anwendung von Portfolios in der Schule in fünf europäischen Ländern zu erproben und zu untersuchen. 70 Schulen, knapp 200 LehrerInnen und über 4000 Schüler in fünf europäischen Ländern waren in der Piltophase beteiligt. Im April 2015 fand die Abschlusskonferenz statt. Weiterhin gewährte uns Petra Szucsich Einblicke in die Ergebnisse der „ePortfolio for KidZ – Studie“ aus 2014.

Beide Berichte gaben uns einen vertieften Einblick in den aktuellen Stand der Portfolio-Arbeit in Europa mit dem Fokus auf Schule. Die Erfahrungen aus der österreichischen Portfolio-Community sind mir stets hochwillkommen weil sie diese einzigartige Mischung aus wissenschaftlicher Fundierung, Orientierung auf die Praxis und Bezugnahme auf das alltägliche Leben zu verbinden wissen.

Das E-Portfolio als PLE – eine erweiterte Definition

Bemerkenswert schien mir die Definition des E-Portfolios, die im EUfolio-Projekt, – lt. Bericht „nach eingehender Diskussion“,  zugrunde gelegt wurde (siehe die Folie 8 in der Präsentation auf http://mahara.eufolio.eu/view/view.php?id=9786):

“E-Portfolios sind dynamische digitale Arbeitsplätze, deren EigentümerInnen die LernerInnen sind. Sie können darin ihr Lernen und ihre Ideen festhalten, haben so Zugang zu ihren Arbeits-Sammlungen, können über ihr Lernen reflektieren, es teilen, sich Ziele setzen, Feedbacks einholen und ihr Lernen und ihre Errungenschaften darstellen.”

Bemerkenswert ist diese Definition deswegen, weil hier weggegangen wird von den „Artfakten“ als Kernelement der bisherigen Portfolio-Definitionen hin zum „digitalen Arbeitsplatz“, also eine Definition die deutlich in Richtung Personal Learning Environments weist. Man kann sagen, dass *das* Portfolio weniger als ein substantieller Gegenstand und mehr als Umgebung und Prozess definiert wurde. Aber auch die enge Verbindung von Portfolio-Arbeit mit der Definition von Kompetenzen im Projekt, die in diesem Fall wohl notwendig abstrakt als „21st century skills“
beschrieben werden macht eine Stärke des Konzepts aus. Damit wird nämlich neben der eher unspezifischen Definition als „digitaler Arbeitsplatz“ auch die inhaltliche Bestimmung der Portfolio-Arbeit als kompetenzorientiert stark gemacht.

Portfolioarbeit stärkt Kompetenzen

Im Unterschied zur oft auf Bewertungsprozesse (Assessment) fokussierten Portfolio-Arbeit in den Hochschulen, war die Anwendung in den Projektschulen auf die Weiterentwicklung der Formen und Methoden von Unterricht konzentriert. Entsprechend erstrecken sich die Erfahrungen und Rückmeldungen auf grundsätzliche Herangehensweisen und Rollenverständnisse rund um den Unterricht. So  werden als wichtige Punkte aus den Rückmeldungen der LehrerInnen vor allem das „Erlernen“ (sic!) von

  • formativer Beurteilung
  • lernerInnenzentriertes Arbeiten
  • IKT-Fertigkeiten

benannt.
Für die SchülerInnen werden vor allem

  • kritisches Denken
  • IKT-Fertigkeiten
  • Selbststeuerung und Selbstreflexion

als unterstütze Kompetenzen formuliert.

Siehe auch den Evaluationsbericht der Pilotphase: Economou, A., & Avraamidou, A. (2015). EU Classroom ePortfolios Pilot Evaluation Results.(PDF)

Hört und liest man diese Ergebnisse, scheint gelungen zu sein, was in optimistischen Entwürfen der E-Portfolio-Arbeit beschrieben wurde – nämlich das Portfolio als Möglichkeit, Lehre und Unterricht in Richtung Lernendenzentrierung, Selbstorganisation und Kompetenzentwicklung zu entwickeln. In den vorgestellten Projekten scheint die Gemeinsamkeit zu bestehen,  dass mit Hilfe der Portfolio-Arbeit Strukturen und Praktiken des Unterricht in Bewegung geraten sind, also eine Entwicklung von Unterricht stattfindet. Wenn man sich also einmal fragen sollte, wie ein konkretes Beispiel für die oft unspezifisch zitierten „Potentiale des E-Learning“ aussehen kann – hier hat man eines.

E-Portfolios als sinnvoller Weg hin zu einer Digitalisierung von Bildung?

Ich müsste bei den Kolleginnen noch mal Nachfragen, ich gehe jedoch stark davon aus, dass es sich bei den E-Portfolio-Anwendungen in den Schulprojekten – im Unterschied zu den meisten Anwendungen in Hochschulen – um die erste und die einzige digitale Lehr-/Lernplattform handelte die eingesetzt wurde. Damit geht es bei den oben genannten Ergebnissen also nicht nur um die E-Portfolio-Arbeit im engeren Sinne, sondern viel mehr auch um die Verfügbarmachung einer digitalen Plattform für das Lernen, Lehren und Arbeiten überhaupt (eben der „digitale Arbeitsplatz“). Ein klassisches LMS oder eine „Ressourcenplattform“ hätten hier sicher nicht die gleichen Effekt gehabt, denn in diesen Systemen sind die Prinzipien des gleichberechtigten Kontakts, des Teilens und der Zusammenarbeit zwar mit etwas Gebastel machbar – stehen aber nicht im Mittelpunkt der Software. Im Gegenteil ist nach meiner Beobachtung die Erfahrung, dass viele Prinzipien des Web 2.0 z.B. mit Mahara Einzug gehalten haben und zwar ohne das es intendiert wäre. So ergibt sich in der Praxis eine enge Verbindung von kompetenzorientierten Ansätzen und dem Web 2.0. Portfolio-Software macht oft zum ersten mal das „Web zum Mitmachen“ jenseits kommerzieller Plattformen verfügbar.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back To Top