Anmerkungen zu einer bekannten Schlagzeile

Ich habe inzwischen das Gefühl, auch diese Nachricht habe ich schon mehr als einmal gelesen.
Die Meldung des „Standards“ hatte es diesmal zuerst auf meinen Feedreader geschafft: Unter dem Titel „E-Learning wird zum Alltag“ werden wir aufgeklärt:

Grafik Autobahnschild„Das E-Learning verliert das E und wird ein Alltagsfeature“, ist Erwin Bratengeyer, Leiter des E-Learning Centers an der Donau-Universität Krems überzeugt.“

Ich weiß nicht was der geschätzte Erwin Bratengeyer wirklich gesagt hat, die Botschaft erkenne ich wohl, allein: ‚Learning mit verlorenem E, dass zum Feature des Alltags wird‘ erscheint mir genau die Art von Worthülse, die so sehr nach krampfigem Modernismus klingt, das dies gerade nicht Normalität demonstriert, sondern den Wunsch danach. Aber selbst Bundeskanzlerin Merkel  kennt inzwischen das Wort „E-Learning“, wie Heise.de, tapfer gegen den Duden anschreibend, vermeldete:

„Industrie 4.0, intelligente Netze, Breitband und die Unterstützung in MINT-Fächern durch e-Learning spielen in der künftigen IT-Strategie der Bundesregierung eine wichtige Rolle.“

Schön auch hier die Einschränkung: E-Learning wird keineswegs als Normalität sondern zur „Unterstützung in MINT-Fächern“ erwogen.

 

„Optimale Lernatmosphäre“ – noch nicht normal

Wenn man weiterhin – mehr regionalwirtschaftlich – den Bericht vom Webmontag Berlin (Thema „E-Learning“) parallel zurate zieht, dann wird aus der (zumindest der Berliner) E-Learning-Start-Up-Szene  auch keine „Normalität“ gemeldet,
sondern Handlungsbedarf zur Verbesserung der Bildung (endlich!). Das liest sich so:

Learning should be fun ist das Motto. […] Die Speaker gewährten interessante Visionen auf eine neue Form des Lernens, die vielen traditionell noch als trocken und unpersönlich bekannt ist. Wichtige Erkenntnisse zu einer optimalen Lernatmosphäre finden dabei Berücksichtigung. Man darf also gespannt sein …“

Die Passage gibt einerseits einen realistischen Einblick in die üblichen Verwirrungen zwischen „Lernen“  und „Lehren“ (hier: ‚trocken und unpersönlich‘) und andererseits ein Zeugnis der Überschätzung der Rolle der E-Larning-Akteure (hier: die Herstellung einer  ‚optimalen Lernatmosphäre unter Berücksichtigung wichtiger Erkenntnisse‘). Eigentlich klingen diese Visionen in meinen Ohren aber irgendwie gewohnt-altbacken-modern-immergleich. Wenigsten in dieser Hinsicht scheint alles normal.

 

Brot und Butter

Mehr zur Frage „Was ist Normalität beim E-Learning?“ verraten da schon die die Begründungen für die Preistvergabe des „E-Teaching-Awards 2012“ sowie des „Athene-Preises für Gute Lehre 2012“ der Technischen Universität Darmstadt (in Auszügen):

  • „Dipl.-Psych. Henrik Bellhäuser [da das] wissenschaftlich hervorragend fundierte und auf andere Fachbereiche übertragbares E-Learning-Trainingsprogramm […] wirksam die Selbstregulationskompetenz. [fördert] […]
  • Dr. Guido Rößling [für den] intensiven Einsatz von E-Learning in der Lehre und sein umfassendes und kontinuierlich um Selbstlernelemente erweitertes E-Teaching-Angebot. […]
  • Prof. Dr. Alexander Benlian [mit dem] auf Interaktivität ausgerichteten Blended-Learning-Szenarios, bei dem verschiedene Web 2.0-gestützte E-Learning-Werkzeuge eingesetzt werden […].“

Ich zitiere das, weil diese Begründungen m.E. ein authentisches Bild des normalen E-Learnings (an den deutschen Hochschulen) zeichnet:

  • Die Praxis des E-Learning ist „not-too-fancy“ – es geht (natürlich auch im Kontenxt dieses Preises) um Lehre im engeren Sinn, um das Brot-und-Butter-Geschäft der Lehrenden und der E-Learning-Szenarien in den Hochschulen. Normalität in diesem Sinn ist vor allem die Verlängerung bekannter didaktischer Praxis ins Netz.
  • Es geht immer auch um die gelingende Verbindung von Didaktik und Technik in der Praxis: „Selbstregulation“, „Selbstlernen“ und „Interaktivität“ sind keine technischen Kategorien. JedeR einzelne der PreisträgerInnen hat für sich diese zwei Dimensionen zu einer offenbar gangbaren Praxis vermittelt. Normalität in diesem Sinn ist immer auch ein kreativer Akt der Synthese von Technik, Fachdidaktik, Methdodik und Pädagogik.

Normalität zeigt sich nicht in Überschriften und Schlagzeilen sondern in deren Ausbleiben. PC ist wichtigstes Arbeitsmittel in der Universität wäre wohl keine Meldung wert. Deutlich ist daher, dass sich in solchen Schlagzeilen eher der Wunsch nach Normalität artikuliert, als der behauptete Ist-Zustand. Wenn die Beobachtung von John Naughton „Disruption for the net, is not a bug but a feature“ zutrifft, dann wird sich eine neue Normalität auch im E-Learning dadurch kennzeichnen lassen, dass es sich von Zeit zu Zeit sprunghaft verändert. Wenn allerdings Normalität mit Ubiquität gleichgesetzt wird, dann deutet sich durch die Herausbildung des permanent und überall verfügbaren Internet und der massenhaften Verbreitung der entsprechenden Endgeräte eine neue Qualität der Digitalisierung und Vernetzung auch im Bildungskontext an, der sich um dass Schlagwort Mobile Learning gruppiert (zur Sprachverwirrung siehe oben…)

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